Neues Gesetz erweitert die Strafbarkeit von Korruption – Handlungsbedarf für Compliance-Abteilungen?

von | 7. März 2016 | Compliance & Unternehmenssicherheit, Internal Investigations

Am 26.11.2015 ist das „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption“ in Kraft getreten (Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2015, Teil I, Nr. 46, 25.11.2015, S. 2025). Zusammenfassend verfolgt es den Anspruch, Schmiergeldzahlungen umfassender als bislang und grenzüberschreitend unter Strafe zu stellen. Die wichtigsten Neuerungen betreffen eine Änderung der allgemeinen Vorschrift des § 5 StGB sowie der rein privatwirtschaftlichen Korruptionsvorschrift des § 299 StGB.

In § 5 StGB wird bestimmt, bei welchen im Ausland begangenen Straftaten das deutsche Strafrecht gilt, also wofür und unter welchen Voraussetzungen eine Strafverfolgung (auch) in Deutschland droht. Diese exterritoriale Wirkung des deutschen Strafrechts wurde nunmehr auf die für Amtsträger geltenden Korruptionsdelikte erweitert. Die Ausdehnung erfasst im Wesentlichen die aktive Bestechung von europäischen Amtsträgern sowie (deutschen Richtern und Amtsträgern gleichgestellten) Richtern, Bediensteten und Soldaten anderer Staaten und internationaler Organisationen durch Deutsche im Ausland. Zudem erfasst das deutsche Strafrecht nunmehr auch spiegelbildlich die Bestechlichkeit von europäischen bzw. (diesen gleichgestellten) internationalen Amtsträgern im Ausland, wenn diese Deutsche sind. Damit folgt der deutsche Gesetzgeber letztlich Regelungen wie dem Bribery Act des Vereinigten Königreichs aus dem Jahr 2010 und dem Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) der USA aus dem Jahr 1977 nach.

Nach § 299 StGB (Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr) wurde bisher bestraft, wer als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes im geschäftlichen Verkehr einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür forderte, sich versprechen ließ oder annahm, dass er einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugte. Spiegelbildlich war es um die Strafbarkeit des „Gebenden“ ebenso bestellt (Bestechung im geschäftlichen Verkehr). Nach dem alten Gesetzeswortlaut hatte sich die sog. Unrechtsvereinbarung also stets auf eine Wettbewerbsverzerrung durch Schmiergeldzahlung zu beziehen.

Daneben taugt nunmehr auch zur Strafbarkeit, den Vorteil als Gegenleistung für eine Pflichtverletzung gegenüber dem eigenen Unternehmen anzunehmen bzw. (spiegelbildlich) hinzugeben. Wo bislang nur das Erkaufen (lassen) von Wettbewerbsvorteilen strafbar war, gilt dies nun also auch für das Erkaufen (lassen) einer Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte auch die bisherige Vorschrift nicht nur den Wettbewerb schützen, sondern gleichsam die Interessen des Unternehmens an der loyalen und unbeeinflussten Pflichterfüllung seiner Mitarbeiter. Diese viel kritisierte – auch „Geschäftsherrenmodell“ genannte – Schutzrichtung wurde nunmehr erweitert.

Als Einschränkung der ansonsten uferlosen Strafbarkeit von Verstößen gegen Compliance-Regeln gilt diese aber ausnahmslos nur beim Erkaufen (lassen) solcher Verstöße, die klar im Zusammenhang mit dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen stehen. Erkaufte innerbetriebliche Störungen oder die bloße Annahme (oder Hingabe) eines Vorteils und hierdurch der Verstoß gegen dies verbietende Compliance-Regeln reichen also nicht aus. Die neu gefasste Vorschrift beinhaltet bei richtiger Lesart demnach nicht die Einführung eines allgemeinen „Compliance-Delikts“, wie es der Deutsche Anwaltverein (DAV) noch während des Gesetzgebungsprozesses kritisiert hatte.

Dem DAV ist aber zuzugeben, dass die neu gefasste Vorschrift den Deliktstypus eines „Untreue-Vorfelddelikts“ einführt. Die Vornahme der erkauften Pflichtverletzung stellt nämlich, soweit hierdurch ein Vermögensschaden eintritt, häufig eine strafbare Untreue dar. Für eine Strafbarkeit nach § 299 StGB ist aber nach wie vor nicht erforderlich, dass die erkaufte Pflichtverletzung tatsächlich erfolgt, es also zur Untreue kommt. So wird der neuen Fassung des § 299 StGB die Schaffung einer vorverlagerten Untreue-Strafbarkeit – ohne dass ein Vermögensschaden nötig wäre – kaum abzusprechen sein. Dies ist vor allem deshalb bemerkenswert, da die versuchte Untreue nach wie vor nicht strafbar ist.

Der hieran klar ersichtliche verstärkte Unternehmensschutz der neuen Gesetzesfassung dürfte aber, um optimal zu greifen, der Umsetzung durch Anpassung geltender Compliance-Regeln bedürfen. Denn nur wenn diese klarstellen, wann ein vorrangiger Zusammenhang zwischen der Verhaltensvorschrift und dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen besteht, dürfte ein erkaufter Verstoß bzw. die hierauf gerichtete Hingabe oder Annahme eines Vorteils die neu eingeführte Strafbarkeit begründen. Diese teilweise Dispositionsbefugnis des Unternehmens über die Strafbarkeit seiner Mitarbeiter wurde im Vorfeld der Gesetzesänderung – nicht ganz zu Unrecht – stark kritisiert, ist aber nunmehr Fakt. Sie erfordert von Compliance-Abteilungen Augenmaß bei Wahrung der potentiell stärker geschützten Unternehmensinteressen angesichts der Gefahr, selbst lapidare Verhaltensverstöße zu eng und auch inhaltlich mit dem Waren- oder Dienstleistungsbezug in Verbindung zu bringen. Man stelle sich z.B. vor, ein Mitarbeiter machte sich strafbar, wenn er sich schmieren ließe, um bei Warenanlieferungen nicht, wie unternehmensintern vorgeschrieben, ein weißes Hemd zu tragen – warum auch immer. Ein insoweit zu strenges Regelungsgefüge könnte für das Unternehmen die Gefahr gehäufter und somit sicher ungewollter Strafverfolgung der Mitarbeiter bergen und seine eigene Daseinsberechtigung damit schnell ins Gegenteil verkehren. Die Möglichkeiten sind also gewachsen, doch ist der Grat schmaler geworden.