Vorsicht, (Radar-)Falle! Verstößt die Benutzung von „Blitzer-Apps“ auf Smartphones wirklich gegen die Straßenverkehrsordnung?!

von | 1. Mai 2016 | Allgemein, Strafverteidigung

In einer Entscheidung vom 03.11.2015 (Az. 2 Ss (OWi) 313/15) hatte sich das Oberlandesgericht Celle mit der Zulässigkeit von sog. „Blitzer-Apps“ auf Smartphones im Straßenverkehr zu beschäftigen. Dabei kam das Gericht zu der kritikwürdigen Überzeugung, dass die Benutzung derartiger Software einen bußgeldbewehrten Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO) darstellt.

Hintergrund

Der Betroffene befuhr mit seinem PKW eine niedersächsische Autobahn. Hierbei führte er sein Smartphone in einer dafür vorgesehenen Halterung auf dem Armaturenbrett mit sich. Auf dem Smartphone lief eine weit verbreitete App namens „Blitzer.de“.

Diese App dient dazu, Autofahrer vor Geschwindigkeitsmessungen zu warnen. Hierzu überwacht die Software mittels einer GPS-Verbindung dauerhaft die Position des Fahrzeugs und gleicht diese mit Online-Datenbanken ab, in denen die Standorte stationärer und mobiler Messstellen enthalten sind. Die regelmäßige Aktualität der Datenbanken basiert dabei auf dem Gedanken „Nutzer-Helfen-Nutzern“: Wer während der Fahrt eine Messstelle passiert, meldet diese durch kurze Berührung des Displays der Community. Die Software nutzt die erfassten Messstellen, um wiederum alle anderen Nutzer vor Erreichen der Örtlichkeit optisch und akustisch zu warnen.

Im Rahmen einer Verkehrskontrolle erweckte das Smartphone und die darauf laufende App die Aufmerksamkeit eines Polizeibeamten. Der Polizist erkannte das Programm deshalb, da er es auch selbst regelmäßig nutzte; allerdings nur privat und – wie das Gericht später ausdrücklich festhielt – nur als Beifahrer. Natürlich.

Resultat war eine Verurteilung des Betroffenen zu einem Bußgeld in Höhe von EUR 75,00 wegen Verstoßes gegen § 23 Abs. 1b StVO. Nach dieser Vorschrift ist es untersagt, als Fahrzeugführer ein technisches Gerät zu betreiben, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören, was insbesondere für Radarwarn- oder Laserstörgeräte gelten soll. Gegen diese Verurteilung wandte sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, über die das OLG Celle zu befinden hatte. Er führte ins Feld, dass das Verbot vorliegend nicht greife, da ein Smartphone nicht dazu bestimmt sei, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören. Es diene vornehmlich der Kommunikation und der Informationsbeschaffung und diese grundsätzliche Zweckrichtung werde auch nicht durch die Verwendung einer bestimmten App geändert.

Entscheidung

Der 2. Strafsenat des OLG Celle hat die Entscheidung dieser bislang ungeklärten Rechtsfrage zum Zwecke der Fortbildung sachlichen Rechts angenommen und die Beschwerde prompt als unbegründet verworfen.

Das Gericht urteilte, dass ein Smartphone durchaus ein technisches Gerät zur Anzeige von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen im Sinne der Vorschrift sei – jedenfalls dann, wenn die „Blitzer-App“ installiert sei und laufe. Hierdurch erhalte das Telefon die zusätzliche Zweckbestimmung eines Blitzer-Warngerätes. Das Gericht argumentierte u.a. mit der gesetzgeberischen Intention der im Jahre 2001 neu in die StVO eingefügten Vorschrift. Der Gesetzgeber habe nämlich sämtliche technischen Einrichtungen untersagen wollen, die dazu bestimmt sind, die Verkehrsüberwachung zu beeinträchtigen. Durch Verwendung einer „Blitzer-App“ erhalte das Smartphone genau diese Zweckbestimmung. Darin liege, so das Gericht, auch keine Ungleichbehandlung im Verhältnis zum Verkehrsfunk im Autoradio. Denn insofern sei das Radio zwar ebenfalls zur Warnung vor Verkehrsüberwachungsmaßnahmen geeignet, nicht aber dazu bestimmt. Warnungen vor Blitzern würden im Radio nämlich nicht individuell standortbezogen, sondern gegenüber einem offenen Hörerkreis abgegeben. Der einzelne Hörer habe keinen Einfluss auf den Inhalt der Rundfunksendung und könne sein Gerät demgemäß auch nicht subjektiv zur Warnung vor Verkehrsüberwachungsmaßnahmen bestimmen.

Fazit

Die Entscheidung dürfte für die künftige bußgeldrechtliche Behandlung der weit verbreiteten „Blitzer-Apps“ richtungsweisend sein. Ob sich hieraus eine gefestigte Rechtsprechung entwickelt oder ob sich andere Gerichte abweichend positionieren, bleibt aber abzuwarten. Denn die Entscheidung des OLG Celle ist durchaus kritikwürdig.

Sicher ist richtig, dass ein Smartphone grundsätzlich der Kommunikation und Informationsgewinnung dient, durch den Betrieb der App aber zeitweise eine besondere Zweckbestimmung erhält. Doch widerstrebt diese Zweckbestimmung – Anhalten zur Temporeduzierung durch Warnung vor Messstellen – wirklich der gesetzgeberischen Intention? Dem Gesetzgeber ging es – wie auch das OLG festhält – darum, eine Beeinträchtigung der Verkehrsüberwachung zu verhindern. Die Warnung vor Messstellen per App hindert indes mitnichten die Durchführung von Überwachungsmaßnahmen, sie verringert lediglich die Chance, Verkehrssünder zu erwischen. Warum? Weil sie langsam fahren. Aber geht es nicht genau darum?

Sollen Geschwindigkeitsverstöße nun bekämpft oder möglichst zahlreich sanktioniert werden? Das OLG Celle sieht hier keinen Unterschied. Die Angst vor Verkehrsmessungen könne die Allgemeinheit nur disziplinieren, wenn zahlreich sanktioniert werde, wozu niemand konkret gewarnt werden dürfe. Doch wenn es wirklich eher um Abschreckung und mithin darum geht, zahlreiche (ungewarnte) Temposünder zu erwischen, würden schwerpunktmäßige Messungen an gefahrträchtigen Stellen ihren immer wieder propagierten Sinn einbüßen. Gleiches gilt für die öffentliche Ankündigung eines jeden neuen „Blitzer-Marathons“.

Schließlich bleibt die auffällige Parallele zum Verkehrsfunk. Dieser soll nur deshalb zulässig sein, weil die Warnungen im Radio unabhängig vom Standort des Fahrzeugs, also abstrakt und generell erfolgen. Demgegenüber warne die App konkret und individuell. Wer dies indes für richtig hält, verkennt entweder die Funktionsweise der App oder argumentiert ergebnisbezogen. Denn auch der App-Nutzer erhält abstrakten und generellen Zugriff auf die vollständige Datenbank, die konkrete und individuelle Warnung ist lediglich eine Zusatzfunktion. Dass das Radio diese nicht besitzt, ist keine Errungenschaft. Sollte die konkret-individuelle Filterung und Anzeige empfangener Radiomeldungen möglich werden, würde wohl dennoch niemand den Verkehrsfunk untersagen wollen.