Neues Gesetz zur Bekämpfung von Doping im Sport – Mehr Strafrecht für mehr „Sauberkeit“?

von | 11. Juni 2016 | Allgemein, Strafverteidigung

Am 18.12.2015 ist das „Gesetz zur Bekämpfung von Doping im Sport“ in Kraft getreten (Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2015, Teil I, Nr. 51, 17.12.2015, S. 2210). Nach dem damit neu geschaffenen Anti-Doping-Gesetz (AntiDopG) sind künftig u.a. der Umgang mit Dopingsubstanzen sowie das Selbstdoping von Sportlern – auch strafrechtlich – verboten. Es drohen Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren. In besonders schweren Fällen müssen Hintermänner sogar mit bis zu zehn Jahren Haft rechnen.

Nach der offiziellen Gesetzesbegründung dient das Regelungswerk dem Zweck, Doping im Profisport nun auch strafrechtlich verfolgen zu können. Hiermit soll der Chancengleichheit in einem fairen sportlichen Wettbewerb ebenso gedient werden, wie der Gesundheit von Sportlerinnen und Sportlern. Laut Justizminister Heiko Maas (SPD) ist das Gesetz eine „Kampfansage an Täuscher, Trickser und Betrüger“ und werde den Sport „sauberer, sicherer und ehrlicher“ machen.

Das Gesetz hat eine Vielzahl vorangegangener rechtspolitischer und gesellschaftlicher Diskussionen aufgegriffen. Einigkeit bestand stets darin, dass effektiver gegen Doping vorgegangen werden müsse. Angesichts anhaltend hoher Fallzahlen waren dabei nur wenige der Meinung, dass die Sanktionierung auch weiterhin allein der Sportgerichtsbarkeit vorbehalten bleiben solle. Die Mehrheit vertrat demgegenüber die Auffassung, dass auch der Staat mit seinem schärfsten Schwert – dem Strafrecht – reagieren müsse. Problematisch war dabei nur, dass die ungewollten Praktiken mit den bislang geltenden strafrechtlichen Normen schwer fassbar waren.

In Frage kamen neben dem Betrugstatbestand des Strafgesetzbuches (StGB) nur die Regelungen des Arzneimittelgesetzes (AMG) und des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG). In Letzterem fanden sich aber nur wenige Anknüpfungspunkte für eine strafrechtliche Verfolgung des Dopings. So unterfallen zwar einige Dopingsubstanzen (z.B. Amphetamine) auch dem BtMG, die Mehrzahl moderner Mittel jedoch nicht. Ähnlich verhält es sich mit dem AMG. Viele Dopingmittel sind schlicht keine Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes. Andere (z.B. Asthmamedikamente) können zwar im sportlichen Wettbewerb zur illegalen Leistungssteigerung eingesetzt werden, sind aber oftmals medizinisch indiziert und arzneimittelrechtlich frei verfügbar.

Komplizierter verhält es sich mit dem Betrug gemäß § 263 StGB. Über viele Dopingfälle ist schnell zu lesen, es handele sich um „Betrug“ am Zuschauer oder gar am Sport. Bei genauerem Hinsehen ist aber zu bedenken, dass es sich beim Betrug im Sinne des StGB um ein streng wirtschaftlich zu betrachtendes Vermögensdelikt handelt. Bestraft wird ausschließlich die Täuschung anderer Personen, soweit diese hierdurch zu einer finanziellen Selbstschädigung veranlasst werden. Das Doping hiermit zu fassen, ist rechtlich und tatsächlich schwierig.

Der Dopingsünder täuscht zweifellos Sponsoren, Konkurrenten, Veranstalter und Zuschauer. Doch welche dieser vier Gruppen erleidet hierdurch auch einen finanziellen Schaden? Sicher nicht der Zuschauer, denn das enttäuschte Interesse am „sauberen“ Sport stellt keine wirtschaftliche Einbuße dar. Gleichartiges gilt für Antritts- oder Siegprämien, die der Veranstalter in jedem Falle auszahlen muss. Redliche Konkurrenten würden allenfalls um ihre ehrliche Siegprämie gebracht, indes nicht im Rechtssinne darum „betrogen“. Und schließlich mag jeder Dopingfall für den Sponsor, besonders für den Sponsor des Dopingsünders selbst, einen erheblichen Imageschaden darstellen. Erwartete Gewinnsteigerungen durch die öffentlichkeitswirksame Förderung eines erfolgreichen und gleichzeitig ehrlichen Sportlers bleiben sicherlich aus. Eine betrugsrelevante Verknüpfung zwischen dem Dopingvergehen des Sportlers und einer Vermögensverschlechterung bzw. ausbleibenden Vermögensverbesserung auf Seiten des Sponsors ist aber auch hier nur schwer zu konstruieren. Und selbst wenn alle rechtlichen Probleme überwunden würden, blieben auf tatsächlicher Ebene erhebliche Aufklärungs- und Nachweisschwierigkeiten, nicht zuletzt bei der konkreten Bemessung des angeblichen (Betrugs-)Schadens.

Zahlreiche Stimmen nahmen all dies zum Anlass, für die Einführung eines gesonderten und klar formulierten „Selbstdoping-Verbots“ zu streiten. Und auch die weiteren Dopingakteure, also den Personenkreis um die unredlichen Sportler herum (Trainer, Ärzte, Betreuer usw.), wollte man erfassen. Diesen Interessen will das AntiDopG genügen. In dessen Zentrum stehen daher die neu eingeführten Straftatbestände des „Selbstdopings“ (§ 3) sowie des unerlaubten Umgangs mit Dopingmitteln und der unerlaubten Anwendung von Dopingmethoden (§ 2).

Bei allem verständlichen Zuspruch bietet das Gesetz jedoch auch Anlass für Kritik. Rechtsdogmatisch verwunderlich ist z.B. die Einschränkung, dass der dopende Sportler gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 AntiDopG nur bestraft werden kann, wenn er in der Absicht handelt, sich einen Vorteil im sportlichen Wettbewerb zu verschaffen. Die Einschränkung soll den Einwänden zahlreicher Spitzensportler Rechnung tragen, die fürchten, dass ihnen verbotene Substanzen untergeschoben werden könnten. In derartigen Fällen wäre eine Bestrafung indes auch ohne die Einschränkung ausgeschlossen, da der Täter vorsätzlich handeln muss. Werden ihm Dopingsubstanzen untergeschoben, dürfte dies kaum der Fall sein.

Weitere Kritik kommt u.a. von Seiten des Deutschen Olympischen Sportbunds. Dort befürchtet man eine Aufweichung der Legitimation sportrechtlicher Sanktionen durch die neue Parallelität zum Strafrecht. Genauer geht es um paradoxe aber durchaus denkbare Fälle, in denen die Sportgerichtsbarkeit bereits eine Sperre verhängt hat, dann aber der strafrechtliche Tatnachweis nicht geführt werden kann und ein Freispruch erfolgt. Daneben arbeitet die Sportgerichtsbarkeit nicht nur meist schneller, sie verfügt auch über die im Einzelfall angemesseneren Instrumentarien. Wo ordentliche Gerichte grundsätzlich nur begrenzte Geld- oder Freiheitsstrafen verhängen dürfen, können Sportgerichte mit zeitigen oder lebenslangen Sperren reagieren, Titel und Siegprämien aberkennen sowie Vertragsstrafen und Schadensersatz einfordern. Schließlich kann das Strafrecht als Mittel effektiver Prävention auch wegen seines hohen prozessualen Schutzniveaus ins Hintertreffen geraten. Während Dopingtests im Sport nämlich meist verdachtsunabhängig durchgeführt werden, erfordern strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen – so auch körperliche Untersuchungen – stets einen Anfangsverdacht und unterliegen mitunter hohen Hürden betreffend die Kompetenz zu ihrer Anordnung.

Nicht zuletzt aufgrund des Vorhabens, die Auswirkungen des Gesetzes auf die Bekämpfung des Dopings im Sport nach fünf Jahren von offizieller Stelle zu evaluieren, bleibt also abzuwarten, ob die gewünschte Präventivwirkung eintritt.