Anonyme Hinweise an eine Ombudsstelle – Wirklich vertraulich?

von | 14. Oktober 2016 | Compliance & Unternehmenssicherheit, Internal Investigations

Im Rahmen der Einrichtung von Compliance-Systemen bieten viele Unternehmen ihren Mitarbeitern ein Hinweisgebersystem an. Sehr häufig wird hierbei eine Ombudsperson eingesetzt, bei der es sich meist um einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin handelt. Dabei versichern die Unternehmen ihren Mitarbeitern, dass sie sich vertrauensvoll an die anwaltliche Ombudsperson wenden könnten, da die Informationen dank deren Stellung vertraulich gehandhabt werden müssten. Wie eine aktuelle Entscheidung zeigt, sehen die Gerichte dies allerdings anders.

Erst kürzlich entschied das Landgericht Bochum (Beschluss vom 16.03.2016, Az. II-6 Qs 1/16), dass der Ombudsperson weder ein Beschlagnahmeschutz noch ein Zeugnisverweigerungsrecht zustehe. Geschützt sei nur, was im Rahmen eines anwaltlichen Mandatsverhältnisses erlangt worden sei. Mandant der Ombudsperson sei aber nur das Unternehmen, das die Ombudsstelle eingerichtet habe und nicht etwa der Hinweisgeber, der sich dorthin wende. So könne schon rein denklogisch kein Mandatsverhältnis zwischen der Ombudsperson und einem anonymen Hinweisgeber entstehen. Doch das Gericht geht noch weiter: Selbst wenn sich der Hinweisgeber identifiziere und gegenüber der Ombudsperson offenbare, komme hierdurch weder ein Mandatsverhältnis noch ein mandatsähnliches Vertrauensverhältnis zustande. Die Ombudsperson nehme die Informationen des Hinweisgebers nur zur Kenntnis und leite diese weiter. Sie werde daher gleich einer Meldestelle lediglich als Bote des Unternehmens tätig und übe keine anwaltliche Tätigkeit aus.

Bekannt ist die Problematik der Vertraulichkeit erlangter Informationen bereits aus der Rechtsprechung zur Beschlagnahme von Aussagematerial, das im Rahmen von internen Ermittlungen (sog. Internal Investigations) gewonnen wurde. Dort haben die Gerichte die Rechtslage teilweise ähnlich beurteilt, wenngleich sich in der landgerichtlichen Rechtsprechung aktuell ein Sinneswandel anzudeuten scheint (siehe dazu unseren Beitrag zum Beschlagnahmeschutz).

Das System der Ombudsperson wurde nach dem Siemens-Verfahren in den Jahren 2006 bis 2008 in Deutschland weithin propagiert und aus dem bewährten System der USA adaptiert. Dort ist es nämlich üblich, dass im Rahmen eines Vergleichs zwischen den Ermittlungsbehörden und dem Unternehmen auch Maßnahmen zur künftigen Verbesserung der Compliance vereinbart werden. Hierzu gehört dann häufig die Einrichtung einer Ombudsstelle. Da in den USA (aufgrund der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs) die Vertraulichkeit der in diesem Zusammenhang gewonnenen Informationen umfassender gewährt wird, muss man einräumen, dass diejenigen, die geglaubt hatten, mit der schlichten Übernahme des US-Systems habe man in Deutschland alles Notwendige getan, etwas zu kurz gedacht haben.

Kurz gesagt: Eine anwaltliche Ombudsstelle in Deutschland gibt für den Hinweisgeber keinerlei Schutz auf Vertraulichkeit. Alles, was der Hinweisgeber der Ombudsperson übergibt, kann beschlagnahmt werden. Ein Zeugnisverweigerungsrecht über von dem Hinweisgeber erhaltene Informationen steht der Ombudsperson gleichfalls nicht zu.

Verfassungsrechtlich dürfte die Auffassung des Landgerichts Bochum nicht zu beanstanden sein. Damit stellt sich die Frage, welche Konsequenzen zu ziehen sind: Zunächst bietet sich für die betroffenen Unternehmen an, die zugesicherte Vertraulichkeit von Hinweisen an die Ombudsstelle zu korrigieren. Den Mitarbeitern oder sonstigen Hinweisgebern darf nichts versprochen werden, was rechtlich nicht einzuhalten ist. In diesem Zusammenhang wäre zu erwägen, ob sich bei anhaltender Fehlinformation durch das Unternehmen sogar ein Schadensersatzanspruch eines geschädigten Hinweisgebers ergeben könnte.

Aber gibt es eventuell Möglichkeiten, die Vertraulichkeit des Hinweisgebersystems bei der gegenwärtigen Rechtslage doch zu gewährleisten? Kaum, denn selbst die Umstellung auf ein rein technisches System (z.B. Hotlines oder Online-Mitteilungen) würde die Ermittlungsbehörden nicht daran hindern, die so erlangten Informationen zu beschlagnahmen und auszuwerten.

Somit dürfte sich ein anonymisiertes und dennoch vertrauliches Hinweisgebersystem nur dann installieren lassen, wenn der Gesetzgeber reagiert und entsprechende Grundlagen schafft. Dies wäre ein verhältnismäßig einfaches und schnell zu verwirklichendes Vorhaben. Die Implikation einer entsprechenden Änderung der Strafprozessordnung müsste dann aber auch eine Änderung arbeitsrechtlicher Bestimmungen nach sich ziehen. In Anbetracht der deutschen Rechtsprechung dürfte es indes eher unwahrscheinlich sein, dass anonyme Hinweisgeber als besonders schützenswert erachtet werden. Bei der gegenwärtigen politischen Konstellation ist deshalb wohl kaum auf eine gesetzgeberische Lösung zu hoffen.

Im Ergebnis bleibt den Unternehmen, die eine Ombudsstelle (weiterhin) anbieten wollen, also nur die Möglichkeit, ihre Mitarbeiter und mögliche Dritthinweisgeber offen über die begrenzte Vertraulichkeit zu informieren.