Frankreich macht Ernst bei der Korruptionsbekämpfung – Was Unternehmen jetzt beachten müssen

von | 19. Januar 2017 | Compliance & Unternehmenssicherheit, Strafverteidigung

Vor einigen Jahren hatte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) den französischen Staat wegen seiner halbherzigen Anti-Korruptions-Gesetzgebung ungewöhnlich scharf kritisiert. Mit einem am 11.12.2016 verkündeten Gesetz hat die Grande Nation nun reagiert. Das „Loi Sapin II“ – benannt nach dem ehemaligen Finanzminister Michel Sapin – enthält einen umfassenden Maßnahmenkatalog, mit dem Frankreich zu internationalen Standards im Bereich der Korruptionsbekämpfung aufschließen will. Angesichts des weit gefassten Anwendungsbereichs sollten auch deutsche Unternehmen genau prüfen, ob „Sapin II“ von ihnen Anpassungen verlangt.

Denn für bestimmte Unternehmen besteht jetzt eine Pflicht zur Einrichtung von Compliance-Programmen. Betroffen sind sämtliche Unternehmen, die mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen und einen Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro erwirtschaften oder zu einer Unternehmensgruppe gehören, auf die diese Voraussetzungen bei konsolidierter Betrachtung zutreffen, sofern die Muttergesellschaft ihren Sitz in Frankreich hat.

„Sapin II“ gibt den Adressaten weiter sehr konkret vor, welche Elemente ihre Compliance-Systeme enthalten müssen. Dazu gehören:

  • ein Verhaltenskodex, der die Mitarbeiter für korruptionsgeneigte und daher verbotene Verhaltensweisen sensibilisiert,
  • ein geregeltes Verfahren für „Whistleblower“, die auf Verstöße gegen die Verhaltensregeln hinweisen wollen,
  • eine nach Tätigkeitsbereichen und geographischen Regionen aufgeschlüsselte und regelmäßig zu aktualisierende Analyse der Risiken des Unternehmens, in Konflikt mit geltenden Korruptionsgesetzen zu geraten,
  • Bewertungsverfahren in Bezug auf Kunden, Zulieferer und sonstige Geschäftspartner,
  • Verfahren zur Überprüfung der Buchführung, durch die verhindert werden soll, dass korruptive Praktiken buchhalterisch verschleiert werden,
  • Schulungen für leitende Angestellte und solche Arbeitnehmer, die in besonders korruptionsträchtigen Bereichen tätig werden sowie
  • disziplinarische Maßnahmen im Falle einer Verletzung des Verhaltenskodexes.

Die Verpflichtung, ein diesen Vorgaben entsprechendes Compliance-System zu implementieren, ist sanktionsbewehrt. Bei Verstößen drohen Geldstrafen von bis zu einer Million Euro für das Unternehmen und bis zu 200.000,00 Euro für dessen Leitungsorgane – und zwar unabhängig davon, ob die Versäumnisse im Bereich der Compliance-Organisation tatsächlich korruptive Verhaltensweisen begünstigt haben.

Wird ein Unternehmen wegen eines Korruptionsdelikts verurteilt, kann ihm das Gericht zusätzlich zu einer strafrechtlichen Sanktion die Einführung eines Compliance-Systems auferlegen. Bei Verstößen gegen diese Auflage dürfen gegen das Unternehmen erneut Strafzahlungen verhängt werden. Der Geschäftsleitung drohen in diesem Fall sogar Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren.

Ob die Compliance-Pflicht ordnungsgemäß umgesetzt wird, überwacht künftig eine neugeschaffene Anti-Korruptions-Agentur, die zu diesem Zweck mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet wurde. Der neuen „Agence Française Anti-Corruption“ (AFAC) obliegt auch die Sanktionierung derjenigen Unternehmen, die ihren Pflichten nicht nachkommen. Die Agentur soll zudem regelmäßige Empfehlungen veröffentlichen, an denen sich Unternehmen bei der Ausgestaltung ihrer Präventionsmechanismen orientieren können. Weiter soll die neue Behörde die öffentliche Verwaltung bei der Ausarbeitung und Koordinierung von Anti-Korruptions-Maßnahmen beraten und unterstützen sowie die Effizienz der angewandten Maßnahmen laufend überprüfen.

Neben den genannten Maßnahmen bringt „Sapin II“ noch eine ganze Reihe weiterer Neuerungen, von denen hier lediglich die bedeutsamsten benannt werden können:

  • Das Gesetz stellt die bislang nicht sanktionierte „unerlaubte Einflussnahme“ gegenüber ausländischen Amtsträgern unter Strafe.
  • Das französische Strafrecht findet künftig auch Anwendung auf korruptive Handlungen im Ausland, wenn der Täter – etwa als Geschäftsführer der französischen Niederlassung eines ausländischen Unternehmens – seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich hat. Zudem wurden verschiedene Verfolgungshindernisse (wie z.B. das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit) für Auslandstaten abgeschafft.
  • Das Gesetz enthält zahlreiche Bestimmungen zum Schutz von „Whistleblowern“, welche über die deutsche Rechtslage weit hinausgehen. So trifft die Pflicht, ein Hinweisgebersystem einzurichten, bereits Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern.
  • „Sapin II“ erlaubt es der französischen Staatsanwaltschaft künftig, mit Unternehmen strafrechtliche Vergleiche im Stil eines „deferred prosecution agreements“ (DPA) abzuschließen. Eine solche „convention judiciaire d’intérêt public“ (Vereinbarung im öffentlichen Interesse) kommt allerdings nur bei bestimmten Wirtschaftsstraftaten in Betracht. Sie soll es Unternehmen ermöglichen, durch ihre Compliance aufgedeckte Straftaten zur Anzeige zu bringen, ohne mit einem (im Verurteilungsfalle zwingenden) Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren rechnen zu müssen.

Zusammenfassend bedeutet „Sapin II“ einen veritablen „Quantensprung“ für die französische Korruptionsbekämpfung. Unternehmen, die im Frankreich-Geschäft aktiv sind, sollten dies dringend zum Anlass nehmen, ihre Compliance-Organisation einer Generalinventur zu unterziehen, um sich nicht der Gefahr von Sanktionen auszusetzen. Denn die sechsmonatige Übergangsfrist, die das Gesetz Betroffenen zur Erfüllung der neuen Präventions- und Organisationspflichten einräumt, ist bereits abgelaufen.

Neben den dargestellten strafrechtlichen Verschärfungen enthält „Sapin II“ zudem wettbewerbs- und kartellrechtliche Bestimmungen, deren Nichtbefolgung gleichfalls teuer werden kann. Für Compliance-Abteilungen und ihre Berater gibt es daher einiges zu tun.