Die letzten Schlupflöcher schließen sich… – Globaler Standard für automatischen internationalen Informationsaustausch in Steuersachen tritt in Kraft

von | 27. Juli 2017 | Allgemein, Strafverteidigung

Seit Jahren werden die Rufe lauter: Es geht um die Einführung wirksamer Instrumentarien zur Bekämpfung grenzüberschreitender Steuerhinterziehung und die Schaffung internationaler Transparenz. Hierzu hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) einen Standard zur Einführung eines weltweit einheitlichen zwischenstaatlichen Meldeverfahrens erarbeitet. Dieser sog. AIA-Standard soll einen lückenlosen internationalen Informationsaustausch über Finanzkonten ermöglichen und damit „Steueroasen“ den Garaus machen. Mittlerweile haben über 100 Länder rechtsverbindlich zugesagt, den AIA-Standard anzuwenden und am Informationsaustausch teilzunehmen. Dazu zählen neben den Mitgliedern der Europäischen Union, den USA, dem Vereinigten Königreich und Russland auch vormals bekannte „Steueroasen“ wie die Cayman Islands, Bermuda, British Virgin Islands, Liechtenstein und die Schweiz.

Um effektiv zu greifen, musste der vereinbarte Standard jeweils in nationales Recht umgesetzt werden, womit eine teils dramatische Umgestaltung bislang geltender nationaler Regelungen einherging. Dies betrifft vor allem das sog. Bankgeheimnis, von welchem nicht wenige meinen, dass es durch die Einführung des AIA-Standards faktisch beerdigt wird. In der Bundesrepublik ist das Gesetz zur Umsetzung des AIA-Standards und Anwendung des automatischen Informationsaustauschs bereits 2015 verabschiedet worden. In der Schweiz sind die entsprechenden Rechtsgrundlagen zum 01.01.2017 in Kraft getreten.

Der grundsätzliche Ablauf des automatischen Informationsaustauschs gestaltet sich wie folgt: Nach dem AIA-Standard sind sog. Finanzinstitute – vor allem Banken und Versicherungsgesellschaften – künftig verpflichtet, Informationen über diejenigen ihrer Kunden zu sammeln, die steuerlich im Ausland ansässig sind. Betroffen sind neben natürlichen auch juristische Personen. Die Informationen umfassen Name, Adresse, Geburtsdatum, Kontonummer, Steueridentifikationsnummer, alle Arten von Kapitalerträgen (Zinsen, Dividenden usw.), Veräußerungserlöse sowie Kontosalden. Das Finanzinstitut hat die gesammelten Informationen dann einmal jährlich an die Steuerbehörde ihres Landes zu melden, von wo die Daten automatisch an die Steuerbehörde des Herkunftslandes des Kunden gemeldet werden. Dort dürfen die Daten zu Besteuerungszwecken eingesetzt werden.

In der Schweiz haben die Finanzinstitute erstmals ab dem 01.01.2017 Daten zu sammeln. Der erste Austausch der Daten, u.a. mit den deutschen Steuerbehörden, wird im Jahr 2018 stattfinden. Unterschiede beim zeitlichen Ablauf des Sammel- und Meldeprozesses können sich bei Bestandskonten nach deren Einteilung in Konten von hohem und Konten von geringem Wert ergeben. Konten von geringem Wert sind solche, deren Saldo zum Ende des letzten Jahres unterhalb von einer Million USD bzw. CHF lag. Diese Konten müssen binnen zwei Jahren, aktuell also bis Ende 2018 identifiziert und der Eidgenössischen Steuerverwaltung bis Mitte des Folgejahres gemeldet werden, von wo sie an die Steuerbehörde des Partnerstaats weitergeleitet werden. Konten von hohem Wert, also solche mit einem Saldo von mehr als einer Million USD bzw. CHF, müssen binnen eines Jahres, aktuell also bis Ende 2017 identifiziert werden. Hier erfolgt die Meldung an die Steuerverwaltung und die anschließende Weitergabe an den Herkunftsstaat des Kunden also im Jahr 2018. Der Kontoinhaber ist von alledem durch sein Finanzinstitut zu informieren, spätestens jedoch erst dann, wenn der Datenaustausch vollzogen wird.

Dabei steht es den Schweizer Finanzinstituten frei, von der Möglichkeit einer unterschiedlichen Behandlung der Konten keinen Gebrauch zu machen. Es können also auch alle Konten als Konten von hohem Wert behandelt und damit die kürzeren bzw. weitergehenden Prüffristen und Sorgfaltspflichten angewandt werden. Wer also beispielsweise als Deutscher ein Konto in der Schweiz unterhält, muss unabhängig von dessen Saldo damit rechnen, dass aktuell bereits Informationen gesammelt und diese im Jahr 2018 den deutschen Steuerbehörden mitgeteilt werden.

Für alle Betroffenen ist es somit „höchste Eisenbahn“: Anleger, die über nicht deklarierte Konten im Ausland verfügen, sollten den Sachverhalt zeitnah aufarbeiten und prüfen lassen, ob damit zusammenhängende steuerlich relevante Tatsachen durch den Informationsaustausch zu Nachzahlungen und/oder strafrechtlichen Vorwürfen führen könnten. Der fachkundige Berater hat dann zu eruieren, welche Informationen den Steuerbehörden durch den Vollzug des AIA-Standards zufließen werden und wann dies voraussichtlich der Fall sein wird. Auf dieser Grundlage ist sodann konsequentes Handeln gefragt, wobei es neben vielen komplexen rechtlichen Fragestellungen auch darauf ankommen wird, ob sich Verjährungsprobleme stellen und ob angesichts des laufenden Sammel- und Meldeprozesses eine strafbefreiende Selbstanzeige im Einzelfall noch möglich ist.