Aktuelles zur Korruptionsbekämpfung in China – Quo vadis?

von | 16. Juni 2018 | Allgemein, Compliance & Unternehmenssicherheit

In der Presse war unlängst zu vernehmen, dass die Volksrepublik China in Sachen Korruptionsbekämpfung weitreichende Maßnahmen ergreifen will. Am 20.03.2018 beschloss der Volkskongress neben einer Regierungsumbildung auch ein neues Gesetz zur Fortführung seiner von Chinas Präsident und Parteichef Xi Jinping schon 2012 auf den Weg gebrachten Anti-Korruptions-Kampagne. Xi bewirkte nicht nur eine Verfassungsänderung, die ihm ein lebenslanges Recht auf Wiederwahl ermöglicht, sondern versammelte auch eine Vielzahl von Vertrauten um sich. Neu ist zudem die Einrichtung einer Nationalen Überwachungskommission als Antikorruptionsbehörde mit weitreichenden Befugnissen.

Die bisherige Korruptionsbekämpfung in der Volksrepublik China

Die Volksrepublik China besitzt mehr als 1,3 Milliarden Einwohner, von denen knapp 90 Millionen der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) angehören. Chinas Wirtschaft basiert auf dem System der sozialistischen Marktwirtschaft. Das chinesische Strafverfolgungssystem ist zweigeteilt und orientiert sich an der Trennung zwischen Staat und Partei. Die bisher höchste Antikorruptionsbehörde, die sog. Disziplinkontrollkommission beim Zentralkomitee der KPCh, gehört nicht zur Regierung, sondern ist Teil der Partei. Als oberste parteiinterne Kontrollinstitution überwacht sie die Einhaltung von parteiinternen Regeln und sanktioniert Korruption oder Fehlverhalten höherer Parteimitglieder.

Die neue Nationale Aufsichtskommission

Mit dem neuen Gesetz wurde nun eine partei- und justizunabhängige Aufsichtsbehörde mit weitreichenden Befugnissen eingerichtet. Es entstand die sog. National Supervisory Commission, welche Korruption und disziplinarisches Fehlverhalten aller dem Staate dienender Personen verfolgt. Dadurch hat sich die Zahl der Überwachten vervielfacht und die Antikorruptionsbehörde zu einer Art Sonderermittlungsgruppe entwickelt.

Damit steht die Nationale Aufsichtsbehörde auf einer Stufe mit dem Staatsrat der Regierung, dem Obersten Volksgerichtshof und der Generalstaatsanwaltschaft der Volksrepublik China. Sie wird von keinem Gericht überwacht, kontrolliert aber selbst Offizielle, wie beispielsweise Staatsanwälte. Diese Befugnis wird auf den gesamten Staatsapparat ausgeweitet. Denn eingerichtet wird das Kontrollgremium sowohl auf staatlicher als auch auf regionaler Provinzebene.

Die Behörde selbst wird nur durch den Nationalen Volkskongress überwacht und ist befugt, eigenständig zu ermitteln, Verdächtige festzunehmen, Vernehmungen und Beschlagnahmen durchzuführen und Personen zu inhaftieren. Betroffene dürfen allerdings nur bis zu drei Monate bzw. in Ausnahmefällen bis zu sechs Monate ohne Anklageerhebung festgehalten werden, wenn der Verdacht einer schweren Straftat bzw. die Gefahr von Flucht, Selbstmord, Vertuschung oder Verfälschung von Beweismitteln besteht.

Regelungsinhalte

Die maßgeblichen Regelungen knüpfen an den Begriff des „public official“ an, der dem sog. Staatsfunktionär des chinesischen Korruptionsstrafrechts entspricht. Hierunter fallen Parteimitglieder, Mitglieder des Volkskongresses und der Regierung, der Aufsichtsbehörde selbst, des Justizapparates, der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes sowie anderer politischer Parteien und des Chinesischen Bundes für Industrie und Handel. Darüber hinaus werden alle politisch Beschäftigten sowie Beschäftigte in staatlich geführten Unternehmen und öffentlich finanzierten schulischen, wissenschaftlichen, medizinischen, sportlichen und kulturellen Institutionen erfasst. Schließlich betrifft das Gesetz auch alle sonstigen Personen, die als öffentliche Vertreter handeln. Die Legaldefinition stellt also auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ab, sodass sie dem deutschen Amtsträgerbegriff sehr nahe kommt. Verfolgt werden auf der „nehmenden“ Seite aber nicht nur die Offiziellen selbst, sondern außerdem Nichtoffizielle, die an korruptiven Handlungen beteiligt sind. Selbst Verwandte und Ehegatten eines Amtsträgers werden als taugliche Tatobjekte einer Bestechung betrachtet.

Tathandlung ist die Gewährung von Zuwendungen. Darunter versteht das chinesische Strafrecht im Unterschied zu den vergleichbaren deutschen Regelungen allerdings nur Geld und andere Vermögenswerte, nicht aber immaterielle Vorteile, die „nur“ die rechtliche oder persönliche Lage des Empfängers verbessern. Die Geringfügigkeitsgrenze, ab der die Strafbarkeit beginnt, haben der Oberste Volksgerichtshof Chinas und die Generalstaatsanwaltschaft auf einen Wert festgelegt, der etwa 1.300,00 Euro entspricht. In Deutschland liegt diese Grenze, sofern sie überhaupt zahlenmäßig bemessen wird, bei nur 25 bis 50 Euro.

Ein weiterer entscheidender Unterschied liegt in der Frage der Rechtmäßigkeit. Anders als im deutschen Recht ist eine Zuwendung in China nur dann „unrechtmäßig“, wenn hierauf kein Rechtsanspruch besteht bzw. wenn die Diensthandlung nicht im Einklang mit dem geltenden Recht steht. Eine Strafbarkeit scheidet in China deshalb grundsätzlich aus, wenn der Leistende den Staatsfunktionär lediglich zu einer rechtmäßigen Dienstausübung veranlassen will, ohne diese zu beschleunigen oder erst zu ermöglichen. In China gebietet es nämlich der Anstand, Geschäftsbeziehungen mithilfe von Geschenken und Einladungen zu pflegen, wobei die Rechtsprechung die Grenze erst dann überschritten sieht, wenn dadurch „erkaufte“ Wettbewerbsvorteile den Prinzipien von Gerechtigkeit und Angemessenheit widersprechen. Dieser schmale Grat zwischen einer in Deutschland bereits strafbaren aber in China gesellschaftlich akzeptierten Klimapflege und einer auch in China strafbaren Bestechung ist für Ausländer naturgemäß schwer greifbar.

Wer ist gefährdet?

Dieser Umstand mahnt zur Vorsicht. Denn auf eine Parteizugehörigkeit kommt es ab sofort nicht mehr an. Solange es um Zuwendungen an irgendein taugliches Tatobjekt geht, können auf der „gebenden“ Seite auch Mitarbeiter ausländischer Firmen von der Kommission verfolgt werden. Das Unternehmen selbst kann dabei mit einer Geldstrafe belegt werden, wenn die Bestechung durch einen Mitarbeiter begangen wurde, um unrechtmäßige Vorteile zu erlangen und wenn erschwerende Umstände hinzutreten, wie z.B. besonders hohe Zuwendungen oder eine Bestechung von mindestens drei Staatsfunktionären. Nicht zuletzt trifft auch den Geschäftsführer ein Verfolgungsrisiko, weil nach dem chinesischen Unternehmensstrafrecht immer das Unternehmen als solches, die verantwortlichen Führungspersonen und die konkret handelnden Mitarbeiter zur Verantwortung gezogen werden sollen.

Immerhin kommt für die „gebende“ Seite unter Umständen eine Strafmilderung oder gar -befreiung in Betracht, wenn die Tat vor Einleitung einer Untersuchung freiwillig angezeigt wird. Diese Möglichkeit besteht nach chinesischer Rechtsprechung auch für Unternehmen, wenn die Tat aufgrund einer Kollektiventscheidung oder auf Beschluss der Unternehmensverantwortlichen freiwillig und rechtzeitig gemeldet wird.

Fazit und Ausblick

Weil der Begriff des „public official“ sehr weit ist und auf der „gebenden“ Seite sowieso jedermann als Täter in Betracht kommt, besteht für in China tätige Unternehmen und deren Mitarbeiter also zu Recht die Sorge, zukünftig einer Verfolgung ausgesetzt zu sein, wenn sie an Offizielle – wie in China mitunter üblich – Zuwendungen gewähren. Dabei ist für ausländische Staatsangehörige vor allem schwer verständlich, welche hierzulande schon bedenklichen Zuwendungen in China (noch) zum guten Ton gehören bzw. womöglich sogar erwartet werden und welche Zuwendungen auch dort den Straftatbestand der Bestechung erfüllen.

Bei Gewährung finanzieller Zuwendungen gilt es also, erhöhte Vorsicht walten zu lassen. Zudem sollte man die Entwicklung der Korruptionsbekämpfung in China insgesamt im Blick behalten, da die Auslegung der grundsätzlich weiten Regelungsinhalte durch die neue Behörde kaum absehbar ist.