Heilig’s Blechle! Fahrverbot jetzt auch bei Steuerhinterziehung

von | 5. März 2018 | Allgemein, Strafverteidigung

Das Auto ist und bleibt der Deutschen liebstes Fortbewegungsmittel. Umso stärker schmerzt daher in der Regel ein Fahrverbot. Von dieser Wirkung weiß natürlich auch der Gesetzgeber. Bisher war ein Fahrverbot aber nur möglich, wenn eine Verurteilung wegen einer Straftat mit Verkehrsbezug erfolgt ist. Das hat sich geändert. Seit September 2017 können Gerichte Fahrverbote auch wegen solcher Straftaten verhängen, die nichts mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs zu tun haben. Das heißt im Klartext, dass der Betroffene jetzt unter Umständen neben jeder Geldstrafe – ob nun wegen Körperverletzung, Betrug, Steuerhinterziehung oder Sonstigem – mit einem Fahrverbot rechnen muss.

Worum geht es eigentlich?

Das hier interessierende Fahrverbot ist in § 44 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt und stellt eine sog. Nebenstrafe dar. Das bedeutet, dass es bei Verurteilung wegen einer Straftat neben der Hauptstrafe – also Geld- oder Freiheitsstrafe – verhängt werden kann.

Zudem ist ein Fahrverbot von der Entziehung der Fahrerlaubnis zu unterscheiden. Letztere stellt nämlich keine Nebenstrafe dar, sondern eine sog. Maßregel der Besserung und Sicherung. Anders als eine Strafe verfolgt sie ausschließlich präventive Zwecke und trifft solche Straftäter, die durch Begehung bestimmter Straftaten ihre fehlende charakterliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen unter Beweis gestellt haben. Der praktische Unterschied liegt darin, dass der Führerschein bei einem Fahrverbot „nur“ für eine gewisse Dauer in amtliche Verwahrung genommen und danach wieder zurückgegeben wird. Bei einer Entziehung ist die Fahrerlaubnis hingegen endgültig weg und muss nach Ablauf einer bestimmten Frist neu beantragt werden. Dabei hat der Betroffene je nach Einzelfall bestimmte Hürden zu überwinden, wie beispielsweise die Vorlage eines Gesundheitszeugnisses oder das „Bestehen“ einer medizinisch psychologischen Untersuchung (sog. MPU).

Das Fahrverbot nach § 44 StGB ergeht für die Dauer von mindestens einem Monat bis höchstens sechs Monaten. In dieser Zeit ist es nicht gestattet, im Straßenverkehr ein Fahrzeug zu führen. Wer hiergegen verstößt, macht sich erneut strafbar – wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Straßenverkehrsgesetz).

Was ist neu?

Bis Sommer 2017 konnte ein solches Fahrverbot, wie gesagt, nur bei Verurteilung wegen einer Straftat mit Verkehrsbezug verhängt werden. Damit ist nun Schluss: Nach der Neuregelung kann ein Fahrverbot nun auch dann angeordnet werden, „wenn die Straftat nicht bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde“.

Hinter dieser Neuregelung steht der Wunsch des Gesetzgebers, zielgenauer auf Straftäter einwirken zu können. Nach der Gesetzesbegründung sollen insbesondere solche Fälle erfasst werden, „in denen eine Geldstrafe allein bei dem Verurteilten womöglich keinen hinreichenden Eindruck hinterlässt, das Verhängen einer Freiheitsstrafe aber eine zu einschneidende Sanktion wäre“.

Damit verweist der Gesetzesentwurf exemplarisch auf „gut situierte“ Täter, die durch Geldstrafen bisweilen kaum zu beeindrucken seien. Daneben laufen Geldstrafen z.B. auch dann ins Leere, wenn Dritte – etwa Familienangehörige – die Zahlung übernehmen. Bei solchen Tätern soll die Anordnung eines Fahrverbots eine wirksame und vor allem sofort spürbare „Denkzettel-und Besinnungsmaßnahme“ darstellen.

Ob diese Argumentation trägt, ist allerdings fraglich. Denn je nach Einkommen bietet das Gesetz mit maximal 360 Tagessätzen und einer Tagessatzhöhe von maximal 30.000,00 Euro schon im Grundfall die Möglichkeit, Geldstrafen von mehr als 10 Millionen Euro zu verhängen. Straftäter, die sich nicht einmal von solch hohen Geldstrafen beeindrucken lassen, werden sich in der Regel wohl einen Fahrer leisten können und deshalb auch über ein zusätzliches Fahrverbot nur müde lächeln.

Daneben soll die Neuregelung auch dazu dienen, kurze Freiheitsstrafen zu vermeiden. Denn Freiheitsstrafen sind teuer. Jeder Inhaftierte kostet den Steuerzahler durchschnittlich 90 Euro pro Tag. Noch gravierender sind die Folgen natürlich für die Verurteilten. Diese werden aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen und verlieren auch bei kurzen Freiheitsstrafen häufig Job und Wohnung. Deshalb soll eine Kombination aus Geldstrafe bzw. Bewährungsstrafe und Fahrverbot die Vollstreckung einer Haftstrafe ersetzen.

Experten und Interessenverbände üben Kritik

Die Neuregelung wurde natürlich nicht ohne Kritik aufgenommen. So monierte die Bundesrechtsanwaltskammer (nicht zu Unrecht), dass die neuen Möglichkeiten zu größerer Strafungerechtigkeit führen können: Angeklagte mit Fahrerlaubnis, bei denen aufgrund des zusätzlich angeordneten Fahrverbots auf die Verhängung einer (unbedingten) Freiheitsstrafe verzichtet würde, wären gegenüber Angeklagten ohne Fahrerlaubnis, bei denen diese Möglichkeit nicht besteht, privilegiert.

Dazu hängt die Wirkung eines Fahrverbots von den persönlichen Lebensumständen ab, die je nach Wohnort, Beruf und Beziehung sehr unterschiedlich sein können und im Rahmen einer Hauptverhandlung nur schwer zu ermitteln sind. So wird – darauf weisen auch Automobilclubs hin – die ländliche Bevölkerung von einem Fahrverbot ungleich härter getroffen als die Stadtbevölkerung, die in der Regel auf einen funktionierenden öffentlichen Nahverkehr zurückgreifen kann. Bei Berufskraftfahrern kann das Fahrverbot als Nebenstrafe sogar bis zum Existenzverlust führen.

Effektive Verteidigung

In Zukunft droht die Anordnung eines Fahrverbots also nicht nur bei Verkehrsstraften, sondern bei Straftaten jeglicher Art. Und gerade im Bereich der Wirtschaftskriminalität mag der eine oder andere Richter geneigt sein, dem Angeklagten ein Fahrverbot als zusätzlichen Denkzettel zu verpassen. Die sehr individuellen Chancen und Risiken der Neuregelung machen deshalb künftig eine sorgfältige Verteidigung umso wichtiger.